Jetzt wieder mal ein bisschen aus Haso´s Römer 7-Serie
Romans VII: The Blues
Abgelegt unter: Geglaubtes — Haso @ 10:31
Aus der Wetterkunde wissen wir: Gefühlte Temperatur ist nicht gleich gemessener Temperatur. Nur weil du frierst, muss es draußen nicht unter Null sein. Selbst im Hochsommer kannst du an Schüttelfrost leiden.
Aus Römer 7,14-25 erfahren wie: Gefühltes Befinden ist nicht gleich gemessenem Befinden. Es muss nicht schlecht um dich bestellt sein, nur weil du dich schlecht fühlst. Du solltest lieber nachmessen.
Solch einen Messvorgang beschreibt Paulus. Am Anfang steht die gefühlte Lebenstemperatur. Danach holt Paulus sein Thermometer heraus und steckt es Mister “Ich” unter die Zunge. Am Ende steht der tatsächliche Befund. Doch so weit sind wir noch nicht. Heute beschäftigt uns erst einmal die gefühlte Unheiligkeit.
Denn wir wissen, daß das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft. Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich. (Vers 14-15)
Mister “Ich” leidet. Er leidet an sich selbst, an seiner Unfähigkeit, den Willen Gottes zu tun. Das an sich ist schon bemerkenswert. Unzufrieden ist so ziemlich jeder - mit den Verhältnissen, der Behörde, dem eigenen Einkommen oder Nachbars Hund, der den Gehweg für ein Klo hält. Mit sich selbst unzufrieden sind auch viele. Sie wären gern schöner, begabter, wohlhabender, beliebter oder erfolgreicher. Solche Regungen kennt Mister “Ich” sicher auch. Aber sie sind nicht der eigentliche Grund für seinen Blues. Er wäre gern einer, der Gottes Willen tut - und er schafft es einfach nicht.
Gottes Wille hat seine volle Zustimmung. Er kann sich vorstellen, wie schön eine Welt wäre, in der jeder nach der Bergpredigt lebt. Aber es gelingt ihm nicht, sein eigenes Leben in Übereinstimmung mit der Bergpredigt zu bringen.
Gottes Wille ist nämlich “geistlich”, er aber ist “fleischlich”. Ich verzichte auf eine genaue Erklärung dieser Begriffe. Für Mister “Ich” bedeuten sie: Wenn er sich zuerst die Bibel und dann sein eigenes Leben anschaut, stellt er nicht nur einen quantitativen Unterschied fest. (Dann wäre ja mit etwas mehr Anstrengung die Gehorsamslücke schließbar.) Der Unterschied ist qualitativ.
Deutlich spürt er das, wenn er an seine geistlichen Vorbilder denkt, deren Biographie ihn zuerst inspiriert, aber inzwischen entmutigt hat. Sie stehen nämlich nicht nur einige Tabellenplätze vor ihm, sie spielen in einer ganz anderen Liga. Und es würde mehr als einen Aufstieg erfordern, in dieser Liga anzukommen.
Wie ein Aufsteiger fühlt Mister “Ich” sich jedoch gerade nicht. Eher wie ein Absteiger. Enthält seine Statistik nicht Niederlage um Niederlage? Hat er nicht den ständigen Beweis für seine Unfähigkeit vor Augen? “Was ich will, tue ich nicht.” Wie viele seiner Vorsätze sind schon gescheitert. “Was ich hasse, das tue ich.” Er will nicht neidisch oder verbittert sein, aber bestimmte Leute müssen nur den Raum betreten, und schon kocht es in ihm. Er will nicht unehrlich sein, aber dann wird ihm eine unangenehme Frage gestellt, und schon ist es mit der Ehrlichkeit vorbei. Das ist doch nicht nur gefühlt, das ist Fakt - oder?
Am Ende steht die Verwirrung: “Ich weiß nicht, was ich tue.” Sicher stimmt etwas nicht mit ihm. Manchmal mag er sich fragen, ob er überhaupt (noch) ein Christ ist. So wird er eine leichte Beute reisender Bußprediger, die gerne mit ihren Aufrufen den Platz vor der Bühne füllen. Sie treffen zielsicher ins Zentrum seiner Schuldgefühle. Und schon ist er bußfreudig auf den Knien und spricht das dreiundsechzigste Hingabegebet nach.
Diesmal meint er es wirklich ernst. Jetzt wird alles anders. Aber es wird nicht alles anders - genauso wenig wie beim letzten, vorletzten oder siebenundzwanzigsten Mal. Am liebsten würde ich ihm zurufen: “Junge, entspann dich, bleib auf deinem Platz und lass den Scheiß.” Aber wenigstens kann ich es ihm heute schreiben. (Damit mich keiner missversteht: es gibt Situationen, wo Gott uns konkret überführt und eine Bußreaktion angemessen ist. Aber das sind dann keine Verzweiflungstaten, mit denen wir das Lebensgefühl des Losers hinter uns lassen wollen. Und manche Aufrufe, mit denen bestimmte Verkündiger bei Mister “Ich” im Trüben fischen, erregen meinen heiligen Zorn.)
Viel mehr als dieses Blues-Schema habe ich heute nicht zu bieten. Nur ein paar Gedanken sollten wir uns noch über die Ursachen von Mister “Ich”s Befindlichkeit machen. Ihm wurde seinerzeit ja versprochen, bei Jesus gäbe es Leben im Überfluss. Nun findet er sich in einem Leben weit unter Mittelmaß wieder. Wie konnte das passieren?
Der Gründe sind viele. Einige werden noch ans Licht kommen. Eine Erklärungen sei jetzt schon genannt. Die Tonart für diesen Blues gibt ein Missverständnis an. Mister “Ich” spricht nicht vom Willen Gottes, er spricht vom Gesetz Gottes. Für ihn ist der Wille Gottes eine Konglomerat von Forderungen, die an ihn herangetragen werden. “Follow the rules” ist sein Verständnis von Nachfolge. In seinem Inneren hat er eine Vorstellung, wie ein Christ sein sollte. Dieser Vorstellung hat er zu entsprechen versucht. Das konnte nur schiefgehen.
Nachfolge bedeutet nicht: “Follow the rules.” Nachfolge bedeutet: “Follow your heart.” In unser Herz hat Gott seinen Geist gegeben und sein Gesetz geschrieben. Söhne und Töchter Gottes werden nicht durch Regeln, Vorsätze und Appelle geleitet, sondern durch den Geist (Römer 8,14), der in ihren Herzen wohnt. Die Wurzel allen Scheiterns ist die Pflicht. Wo der Geist ist, da ist Freiheit. Wo die Regel ist, da ist Unfreiheit. Der Neue Bund bedeutet nicht Verpflichtung. Der neue Bund bedeutet Freisetzung. Das hat Mister “Ich” noch nicht entdeckt. (Ich weiß, diese plakative Darstellung kann missverständlich kann. Aber ich bin sicher, Mister “Ich” wird mich nicht missverstehen.)
Den Blues von Römer 7 erleidet der in voller Schärfe, der es besonders gut (ge)meint (hat). Christliche Minimalisten stecken ihre Unvollkommenheit leichter weg. Wer nach dem Motto lebt “Ich komme auch in der letzten Reihe in den Himmel”, mag ab und zu ein gewisses Unbehagen spüren. Er wird jedoch nicht empfinden: “Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen?”
Der Blues von Mister “Ich” beweist, dass tief in seinem Herzen etwas Schönes und Kostbares steckt. “Der Mensch sieht, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an.” Auch Mister “Ich” sieht, was vor Augen ist - seine gebrochenen Gelübde, seine wiederholten Abstürze, seinen gebauter Mist. Darunter leidet er. Aber Gott sieht Mister “Ich”s Herz. Gott ist schon zu lange Vater, um vom Versagen seiner Kinder sonderlich beeindruckt zu sein. Er schaut tiefer und sieht bereits das Neue, wo Mister “Ich” nur am Alten leidet. Aber davon ein anderes Mal mehr.
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Montag, 13. Juni 2011
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