Donnerstag, 20. Oktober 2011

Glaube ist Beziehung

Hier ein Auszug aus einem katholischen Artikel. (pdf)


Genauso ist der Glaube an Gott keine reine Verstandes-Entscheidung, aber auch keine reine Gefühlssache. Warte, ich will das erklären:

Auf den ersten Blick einleuchtend ist, dass eine Liebe aus reiner Berechnung keine Liebe ist. Manchmal können diese Berechnungen auch wohlwollend sein ("Schau, wenn Du mich liebst, dann geht es Dir in allen Belangen besser!"), dennoch bleibt eine solche Liebe eine Vernunftliebe - ohne Herz und ohne Gefühl. Wir sind sogar versucht, die politischen Vernunftehen der Adeligen in den letzten Jahrhunderten als "lieblos" zu bezeichnen - was vermutlich etwas vorschnell sein dürfte.
Das gleiche gilt natürlich auch für den Glauben: Auf Gott zu vertrauen, weil man sich dadurch größere Chancen für des kommende Leben ausrechnet, funktioniert nicht - das merkt ein jeder sofort. Sogar Fidel Castro, der im hohen Alter noch den Papst nach Kuba eingeladen hat, um (wie er selber sagt) noch ein paar "Pluspunkte zum Erwerb der Eintrittskarte in den Himmel" zu sammeln, weiß vermutlich, dass das keinen Sinn macht, wenn man nicht Gott irgendwie liebt.

Das andere - eine Liebe nur aus Gefühl - finden wir gar nicht so seltsam. Gerade Jugendliche sind manchmal regelrecht allergisch gegen eine verstandesmäßige Einschränkung der Liebe. Ähnlich allergisch sind sie dann auch gegen gute Gründe, an Gott zu glauben.

Die gefühlsmäßige Liebe ohne Vernunft ist aber extrem gefährdet (und gefährlich):

Verliebter: "Ich liebe diese Frau. Schau her, ich habe ein Bild von ihr. Ist sie nicht schön?"
Freund: "Ja - schon. Aber das Bild ist doch schon sehr alt, oder?"
Verliebter: "Das ist mir egal. Diese Frau muss es sein."
Freund: "Ist das Foto nicht aus Bolivien?"
Verliebter: "Wahre Liebe kennt keine Grenzen".
Freund: "Die ist doch verheiratet, oder?"
Verliebter: " Meine Liebe ist größer!"
Freund: "Wurde die nicht wegen Mord verurteilt?"
Verliebter: "Meine Liebe wird sie auf den Weg der Tugend zurückführen!"
Freund: "Wegen Mordes an ihren drei ersten Ehemännern?"
Verliebter: "Ich habe keine Angst. Ich liebe sie mehr als mein Leben!"
Freund: "Die ist doch vierzig Jahre älter als Du!"
Verliebter: "Das ist mir gleich. Wahre Schönheit altert nicht."
Freund: "Ich meine gehört zu haben, dass sie vor 5 Jahren gestorben ist..."
Verliebter: "Meine Liebe geht über den Tod hinaus..."

Zugegeben - der Dialog ist nicht sonderlich realistisch. Aber er macht deutlich: Liebe ohne vernünftiges Denken ist blind - extrem blind. Denken ohne Liebe dagegen ist kalt - Gefühl oder Verstand ist rücksichtslos.

Wir können zwar nicht darüber diskutieren oder urteilen, welche Gefühle jemand für einen anderen Menschen hat. Aber bevor aus heißen Gefühlen eine Beziehung entsteht, müssen wir den Verstand einschalten - sonst wird es gefährlich. Dazu kann es durchaus hilfreich sein, wenn wir Freunde oder Freundinnen um ihre Meinung bitten - und uns auch vernünftigen Einwänden stellen. Mit beiden Flügeln - der gefühlsmäßigen Liebe und dem klaren Verstand - dagegen kann man in den siebten Himmel einer Beziehung abheben.

Das Gleiche gilt nun auch für den Glauben an Gott: Wer behauptet, die Entscheidung für oder gegen Gott sei reineGlaubenssache (damit ist normalerweise reine Gefühlssache gemeint), der schaltet das Denken genauso ab wie der blind Verliebte. Das ist aber gefährlich: Wenn Glauben wirklich nichts mit Denken zu tun hat und jeder glauben kann, was er will, dann ist kein Kraut gewachsen gegen verbrecherische Sekten, religiösen Fanatismus und kirchlichen Dogmatismus. Glauben und Vernunft sind die beiden Flügel, die zusammenschlagen müssen: Die Entscheidung für Gott ist letztlich eine Liebesentscheidung und unterscheidet sich wesentlich von einem "Glauben" an UFOs, fliegende Fettmöpse oder an das Ungeheuer von Loch Ness.

Papst Johannes Paul II. hat in einer ziemlich philosophischen und recht schwierigen Enzyklika davon gesprochen, dass Glaube und Vernunft die beiden Flügel des Geistes sind. So kann man auch sagen, dass Liebe und Vernunft die beiden Flügel der menschlichen Beziehung sind - und die Beziehung zu unserem Schöpfer ebenfalls eine "Herzensangelegenheit" und eine "Verstandessache" ist. Beides.

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