Dienstag, 30. August 2011

Buße und Glaube 3

Hier zum ganzen Artikel von Fritz Binde

Und ist die Buße die durch das Wort vermittelte, gottgeschenkte Fähigkeit, uns zu sehen, wie wir sind, so kann man nun sagen: der Glaube ist die ebenfalls durch das Wort vermittelte, gottgeschenkte Fähigkeit, Gott in Christus zu sehen, wie er ist.

Das biblische Glaubensleben ist tatsächlich ein Leben mit neuen Sinnen, und nur als solches bringt es uns erlösende Freiheit. In diesem Sinne ist das Geheimnis des Glaubens das Geheimnis, mit neuen Sinnen eine neue Welt wahrzunehmen.

Wer aus Gott geboren ist, bekommt nicht nur eine Erneuerung seines Sinns als neue Gesinnung (Röm. 12, 2), sondern auch neue Sinneswerkzeuge (Hebr. 5, 14), die der gottgeschenkten Fähigkeit, glauben zu können, entsprechen und im Dienste derselben gebraucht und geübt werden müssen. Es ist dies ein ganz neues inneres Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Wahrnehmen.

Ohne die Bildung und Ausbildung dieser geistlichen Sinneswerkzeuge gelingt kein Glaubensleben. Es sind die Glieder und Sinne des neuen, inneren Menschen in uns, eben des, der aus Gott geboren ist. Diese Seite des Glaubensgeheimnisses ist so vielen Gläubigen ganz fremd. Ihr Glaube hat keine brauchbaren Werkzeuge, durch die er wahrnehmen, prüfen und empfangen könnte.

Solche Gläubige sind den Organen des inneren Menschen nach Kindlein geblieben. Ihr Glaube hat weder ein geübtes Auge noch Ohr, weder Hand noch Fuß. Wegen mangelnder Übung sind die meisten geistlichen Sinneswerkzeuge verkümmert. So ist es leider selbstverständlich, daß solche Gläubige, die weder unterscheiden noch sich wehren können, wie in der Entwicklung zurückgebliebene Kindlein immer der äußeren Hilfe bedürfen und jedem knechtenden Betrug durch Menschen ausgesetzt sind. Wie sehr hat schon der Apostel Paulus diesen Jammer beklagt! (1. Kor. 3, 1; 14, 20 u. a. m.). Mangelnde Glaubensbetätigung ist die Ursache dieses Jammers.

Um so mehr äußert sich der lebendige Glaube als die gottgeschenkte Fähigkeit, ein neues geistliches Wahrnehmungsvermögen zu betätigen. Die Epheser, weil sie glaubten, wußten auch, daß sie versiegelt worden waren, das heißt, ihr Glaube war sogleich befähigt, das Zeugnis des Geistes wahrzunehmen (Eph. 1, 13 und Röm. 8, 16).

Und was sagte der Herr der Martha vor dem Grabe des Lazarus? Er sagte ihr: »Wenn du glauben würdest, du würdest die Herrlichkeit Gottes sehen! « (Joh. 11, 40). Was sah ihr äußeres Auge? Ein verschlossenes Grab. Was hörte ihr äußeres Ohr? Klage und Jammer. Was nahm ihr natürlicher Geruchsinn wahr? Einen stinkenden Leichnam.

Und was sollte sie wahrnehmen? Die Herrlichkeit Gottes! Sollte sie diese Herrlichkeit Gottes etwa erst wahrnehmen, wenn ihr äußeres Sinnenleben den auferstandenen Lazarus bemerkte? 0 nein; denn diese Wahrnehmung machten ja nachher alle Umstehenden trotz ihres Unglaubens. Nein, Martha sollte die Auferweckung ihres Bruders als Tatsache hinnehmen, bevor ihre äußeren Sinne sie wahrzunehmen vermochten. Eben das sollte das Wesen und die Tat ihres Glaubens sein.

Allem äußeren Sinnenleben zum Trotz sollte sie die Herrlichkeit Gottes als Herrschaft Christi über Tod und Grab für die allergewisseste Wirklichkeit halten. Das vermag allein der lebendige Glaube, dessen Leben eben darin besteht, daß er mit seinen tätigen inneren Sinnen bereits wahrnimmt und empfängt, was äußerlich noch gar nicht zu bemerken ist. Und eben das meint das Wort Hebräer 11, 1: »Es ist aber der Glaube ein Beharren auf dem, das man hofft, eine Überzeugung von Tatsachen, die man nicht sieht.« Und diese Erklärung des Glaubens führt uns so recht hinein ins Wesen des Glaubensgeheimnisses.

Paulus sagt: »Der natürliche, seelische Mensch nimmt nicht an (faßt nicht), was des Geistes Gottes ist; denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht verstehen, weil es geistlich beurteilt werden muß« (1. Kor. 2, 14). Das will sagen: der nicht durch den Geist Gottes erneuerte Mensch bleibt versklavt an die Wahrnehmung durch die äußeren Sinne aufgrund seines irdischen Sinns. Dabei kann er vielerlei, ja sogar sehr vieles »auch glauben«, aber er kann und will doch immer nur glauben, was seiner Vernunft und seinen Sinnen »glaubhaft« erscheint.

Immer wieder macht er seine sinnenfällige Vernunft zum Maßstab aller Dinge. So bleibt er bei allem scheinbaren Aufflug seines Geistes unfrei und in der Welt seiner menschlichen Gedanken, Gefühle und Taten verankert. Mag er auch auffliegen wie ein Adler und sein Nest zwischen den Sternen machen: dennoch wird er von dannen wieder heruntergestürzt, hinab und hinein in den Bannkreis seines beschränkten Wesens (Obadja 4). Aus dem Fluch dieses Wesens befreit nur der biblische Glaube.

0 Wunder!: er befähigt uns, das Unsichtbare zu sehen, das Unhörbare zu hören, das Unfaßbare zu fassen. Er hebt uns über die Knechtschaft der Sinne hinaus und versetzt uns in das unsichtbare Königreich der Himmel, unter die befreiende Herrschaft des Geistes Gottes und Christi! Er ist ein durch das Wort Gottes eröffnetes heimliches Sehen, Hören, Tasten, Schmecken, Wahrnehmen und Wissen im Verborgensten des Menschenherzens. Und er ist damit die ureinzige Fähigkeit, das Unbegreifliche zu begreifen, und zwar so, wie es Gott über alles menschliche Denken hinaus in der Bibel offenbart hat.

Er ist die Befreiung vom Sichtbaren und die Verwirklichung des Unsichtbaren; denn er läßt die Welt und sieht und gewinnt das Himmelreich. Er ist der Sieg, der die Welt überwunden hat (1. Joh. 5, 4) und macht uns zu Bürgern des Himmels (Phil. 3, 20).

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