Sonntag, 27. März 2011
Freitag, 25. März 2011
Franz von Sales über die Freiheit
10. These 9: Salesianische Pädagogik ist eine Pädagogik der Liebe und Freiheit und nicht des Zwanges
Zu einem der berühmtesten Worte des heiligen Franz von Sales zählt jene Aussage, die er an Johanna Franziska von Chantal schrieb: „Dies soll die Grundregel unseres Gehorsams sein: Ich schreibe sie in großen Buchstaben: ALLES AUS LIEBE TUN UND NICHTS AUS ZWANG! MEHR DEN GEHORSAM LIEBEN, ALS DEN UNGEHORSAM FÜRCHTEN!“63
Hintergrund dieses Aussage war folgender:64 Johanna Franziska von Chantal war in einer schwierigen Lebensphase. Ihr Ehemann fand bei einem Jagdunfall den Tod und sie stand plötzlich mit vier Kindern allein da, zudem litt sie unter den Schikanen ihres Schwiegervaters und dessen Mätresse. Sie brauchte eine Stütze besonders für ihr seelisches und geistliches Leben. Von Freundinnen wurde ihr ein Priester empfohlen, der zur Bedingung seiner geistlichen Begleitung machte, dass sie ihm absoluten Gehorsam gelobte. Johanna beugte sich dieser Forderung, begann aber unter der Last dieses Gehorsams noch mehr zu leiden. 1604 schließlich traf sie den heiligen Franz von Sales. Beide fühlten sich spontan zueinander hingezogen und Franz von Sales erklärte sich bereit, Johannas geistlicher Begleiter zu werden. Ihm war dabei sofort klar, dass diese Begleitung weniger des absoluten Gehorsams bedarf, sondern der Liebe und Freiheit. In seinem ersten längeren Brief an Johanna, in dem er einige Grundsätze seiner Seeleführung darlegte, formulierte er deshalb auch diese Grundregel „Alles aus Liebe, nichts aus Zwang“ und fügte dann hinzu:
„Ich lasse Ihnen den Geist der Freiheit; nicht jenen, der den Gehorsam verneint, denn dies ist die Freiheit des Fleisches, sondern jenen, der Zwang, Skrupel und Hast ausschließt. Wenn Sie Gehorsam und Unterordnung sehr lieben, ist es mein Wunsch, - dies soll für Sie eine Art Gehorsam sein - dass Sie aus einem berechtigten Grund oder aus Nächstenliebe Ihre Übungen unterlassen und diese Unterlassung durch die Liebe ausgleichen.“65
Liebe und Freiheit sollen also in der Beziehung zwischen Franz von Sales und Johanna von Chantal und zu Gott vorherrschen und nicht Kadavergehorsam, Buchstabentreue oder skrupelhaftes Verhalten. In einem späteren Brief beschreibt Franz von Sales noch einmal, was er unter dieser „heiligen Freiheit“ versteht:
„Überall soll doch die heilige Freiheit und Geradheit herrschen. Wir wollen kein anderes Gesetz, kein anderes ‚Muss’ kennen als das der Liebe. Wenn diese uns vorschreibt, irgendeine Arbeit für die Unsrigen zu leisten, so darf sie doch nicht getadelt werden, als hätte sie Böses getan, oder mit einer Geldstrafe belegt werden, wie Sie es tun wollten. Wozu immer sie uns auffordert, ob es für einen Armen oder einen Reichen bestimmt ist, tut sie alles recht und alles ist in gleicher Weise unserem Herrn angenehm. Ich denke, dass Sie mich gut verstehen. Sie werden sehen, dass ich die Wahrheit sage und für eine gute Sache kämpfe, wenn ich die heilige und liebevolle Freiheit des Geistes verteidige, die ich - wie Sie wissen - besonders hochschätze, vorausgesetzt, dass sie die wahre Freiheit ist und sich fern von Zügellosigkeit und von Leichtfertigkeit hält, die ja nur eine Maske der Freiheit ist.“66
Also nicht Zügellosigkeit und Leichtfertigkeit bedeutet diese Freiheit, nicht „Tun und lassen können, was ich will“, sondern eine Freiheit, die sich allein unter das „Muss“ der Liebe beugt. „Liebe, und tu, was du willst“, formulierte der heilige Augustinus (354-430) dieses Zusammenspiel von Gesetz und Freiheit in griffigen Worten.67
Diese Freiheit in Liebe hat Franz von Sales immer verteidigt und all jene kritisiert, die diese Geistesfreiheit missachten. „Es ist immer hart für die Schwestern,“ schrieb er, „von Männern beherrscht zu werden, die die Gewohnheit haben, ihnen die heilige Geistesfreiheit zu nehmen.“68
Diese Geistesfreiheit verteidigte er nicht nur, weil er sich dem Geist des christlichen Humanismus verpflichtet fühlte69 , sondern weil er Gott selbst als einen Gott erfahren hat, der den Menschen diese Freiheit geschenkt hat. Wenn Gott schon den Menschen die Freiheit lässt, dann darf der Mensch den Menschen diese Freiheit nicht wegnehmen. Das Werben Gottes um den Menschen ist vielmehr das Vorbild für den Umgang der Menschen untereinander. Mit Liebe und mit Sanftmut versucht Gott den Menschen für seine Pläne zu gewinnen, nicht mit eisernen Fesseln. Ein Abschnitt aus dem „Theotimus“ macht dies deutlich:
„Gott zieht uns nicht mit eisernen Fesseln an sich wie Stiere oder Büffel, sondern er wirbt um uns, er lockt uns liebevoll an sich durch zarte und heilige Einsprechungen ... Sieh, wie der himmlische Vater uns an sich zieht. Wenn er uns belehrt, lässt er uns Freude daran empfinden; er tut uns keinen Zwang an. Er wirft in unsere Herzen frohe und freudige geistliche Empfindungen, sozusagen als heilige Lockmittel, durch die er uns liebevoll anzieht, die Schönheit seiner Lehre aufzunehmen und zu verkosten. So wird also, liebster Theotimus, unsere Freiheit durch die Gnade keineswegs vergewaltigt oder zu etwas gezwungen. Wie allmächtig auch die Kraft der barmherzigen Hand Gottes ist, die die Seele mit so vielen Einsprechungen, Anregungen und Lockungen rührt, umhüllt und fesselt, der menschliche Wille bleibt doch stets vollkommen frei, ohne einem äußeren oder inneren Zwang zu unterliegen. Die Gnade erfasst ja unsere Herzen so sachte und zieht sie so liebevoll an sich, dass sie in keiner Weise die Freiheit des Willens trübt. Sie berührt machtvoll, zugleich aber so zart das, was unseren Geist bewegt, dass unsere Freiheit keinen Zwang erleidet. Die Gnade besitzt Kräfte, nicht um von unseren Herzen etwas zu erzwingen, sondern um sie liebevoll anzulocken. Ihr wohnt heilige Gewalt inne, uns nicht zu vergewaltigen, sondern unsere Freiheit zu einer liebenden zu gestalten. Sie wirkt kraftvoll, aber zugleich so milde, dass unser Wille unter ihrer so machtvollen Tätigkeit nicht erdrückt wird. Sie drängt uns, unterdrückt aber nicht unser freies Handeln, so dass wir, bei all ihrem kraftvollen Wirken, ihren Regungen zustimmen oder widerstehen können, wie es uns gefällt.“70
Die pädagogischen Konsequenzen dieser Geistesfreiheit liegen auf der Hand und werden gerade dann konkret, wenn wir in unseren Erziehungszielen auf Widerstand stoßen, also wenn das Kind ungehorsam ist, nicht tut, was wir wünschen. Es gibt von Franz von Sales einige Aussagen und Ratschläge, wie der Erzieher sich gerade in solchen Situationen verhalten soll. Ein sehr berühmtes Wort ist das vom Honig und vom Essig: „Man sei immer so sanft wie möglich und bedenke, dass man mit einem Löffel Honig mehr Fliegen herbeilockt als mit hundert Tonnen Essig.“71
Die heilige Johanna Franziska von Chantal hatte manches Mal – wie alle Eltern – Probleme mit der Erziehung ihrer Kinder. Ihr rät Franz von Sales:
„Wir müssen soweit wie möglich gleich den Engeln an den Seelen wirken, nämlich durch liebevolle, gütige Anregungen und ohne Gewalt ... Man muss dabei [Erziehung der Mädchen] Maß halten. Mit dem Wort ‚liebevolle Beeinflussung’ habe ich alles gesagt.“72
Diese „liebevolle Beeinflussung“ als Erziehungsmethode schließt jedoch den „Tadel“ oder die „Mahnung“ bei begangenen Fehlern nicht aus, gibt ihm jedoch eine besondere Note:
„Wenn man ... mahnt, muss man aber doch, wie Sie wissen, Liebe und Sanftmut walten lassen; denn so erteilte Mahnungen wirken nachhaltiger; andernfalls könnte man diesen ein wenig schwachen Herzen schwer schaden.“73
Oder: „Achten Sie beim Tadeln der Fehler darauf, dass Sie in Ihrem Herzen den schwachen Menschen entschuldigen und den Fehler verkleinern; denn so wirken die Mahnungen am nachhaltigsten. Schließlich muss man dem Nächsten gegenüber Milde bis zum äußersten walten lassen, selbst bis zur Torheit, und darf niemals Vergeltung üben gegen die, welche schlechte Dienste leisten. Glauben Sie mir, wenn wir aus diesem Grund etwas verlieren, wird Gott uns wohl anderswo entschädigen. Wenn man aus einem guten Grund gezwungen ist, jemand ein Unrecht vorzuhalten, soll man gerade nur das sagen, was im vorliegenden Fall nötig ist, und über das Übrige möglichst schweigen. Lassen Sie niemals irgendein Gefühl des Zornes aufkommen, über was auch immer und unter welchem Vorwand und Anschein von Berechtigung auch immer, denn es ist immer eine Unvollkommenheit. Es ist besser, alles zu tun, was möglich ist, und alles mit Gelassenheit und Ruhe aufzunehmen. Das ist dann die hohe Vollkommenheit und fördert die Erbauung.“74
Geist der Freiheit bedeutet weder Zügellosigkeit noch das Ignorieren von Fehlern und Schwächen, vielmehr bedeutet dieser nach Meinung des heiligen Franz von Sales eine Erziehungsmethode, die letztendlich größeren und nachhaltigeren Erfolg bringt als Druck und Strafe.
Der salesianische Pädagoge wird also in seinen Erziehungsmethoden den Geist der Freiheit umsetzen und seine Mahnungen stets mit Sanftmut und Liebe verbinden.
In der „Philothea“ beschreibt Franz von Sales dies mit folgenden Worten und bezieht sich dabei nicht auf die Erziehung anderer, sondern auch auf die Selbsterziehung: „Glaube mir, ruhige und herzliche Ermahnungen des Vaters vermögen ein Kind viel eher zu bessern als Zorn und Wutausbrüche. So ist es auch bei uns. Haben wir einen Fehler begangen, dann mahnen wir unser Herz ruhig und liebevoll, mehr aus Mitleid als in leidenschaftlichem Unwillen; reden wir ihm zu, sich zu bessern, dann wird die Reue viel tiefer ins Herz eindringen und es nachhaltiger beeinflussen als eine verärgerte, zornige und stürmische Reue. Wäre mir z. B. viel daran gelegen, ja nicht durch Eitelkeit zu sündigen, und ich beginge trotzdem einen schweren Fehler dagegen, so würde ich mein Herz nicht etwa so tadeln: ‚Was bist du doch abscheulich und erbärmlich, dass du dich nach vielen Vorsätzen wieder der Eitelkeit ergeben hast! Stirb vor Scham! Erhebe mir nie mehr die Augen zum Himmel, du blindes, schamloses, verräterisches, gegen deinen Gott treuloses Herz ...’ Ich würde ihm vielmehr vernünftig und voll Mitleid zureden: ‚Mein armes Herz, jetzt bist du wieder in die Grube gefallen, die wir zu meiden so entschlossen waren. Lass uns wieder aufstehen und ein für allemal der Eitelkeit entsagen! Rufen wir die Barmherzigkeit Gottes an, vertrauen wir auf sie; sie wird uns helfen, in Zukunft tapferer zu sein. Kehren wir wieder auf den Weg der Demut zurück. Mut! Seien wir von jetzt an recht auf der Hut; mit Gottes Hilfe wird es gehen.’ Auf dieser Selbstermahnung würde ich dann einen festen, kräftigen Entschluss aufbauen, nicht mehr in den Fehler zu fallen und alle Mittel dagegen anzuwenden.“75
Donnerstag, 24. März 2011
Katholische Heilige
2. These 1: Salesianische Pädagogik gründet in der Gottesliebe und zielt darauf hin
Egal, mit welchem Thema sich jemand bei Franz von Sales beschäftigt, er wird immer wieder zu dem Schluss kommen, dass die Grundlage und das Ziel für alles Denken und Handeln bei diesem Heiligen die Gottesliebe war. Angela Hämel-Stier schrieb einmal sehr treffend: „Er [Franz von Sales] hat keine anderen Gebete, er hegt keine anderen Wünsche, er schmiedet keine anderen Pläne, er hat kein anderes Erziehungsprogramm als nur das Streben nach dem Wohlgefallen Gottes.“6 Seine berühmte „Krise von Paris“ gab ihm dazu den entscheidenden Impuls.7
Selbst noch unerfahrener Student wurde er damals, 1588, hineingezogen in die leidigen Diskussionen der Vorherbestimmung, die durch den Reformator Jean Calvin (1509-1564) ausgelöst wurden. Franz kam zur Überzeugung, dass Gott ihn verdammt habe. Egal was er tut, egal wie er sein Leben gestalten, egal ob er seine Schwächen bekämpfen, seine Gebete pflegen und die Gebote Gottes halten wird, seine Bestimmung, die Gott ihm zugedacht habe, ist die Verdammnis der Hölle.
Diese Erkenntnis eines unerbittlichen Gottes, der selbstherrlich und rücksichtslos in seiner Macht bestimmt, wer die Herrlichkeit des Paradieses genießen und wer in der Verdammung der Gottferne dahinvegetieren wird müssen, erschütterte Franz von Sales so sehr, dass er sogar körperlich krank wurde. Die Erlösung kam, als er sich in dieser dramatischen Zeit, am Beginn des Jahres 1589, in eine Kirche flüchtete und dort vor einer Marienstatue zu seinem persönlichen Gottesbild fand. Die Lösung seines Problems war dabei denkbar einfach und es ist sehr gut nachzuvollziehen, dass es ihm wie Schuppen von den Augen fiel und er endlich von einer Sekunde auf die andere klar sehen konnte. Es geht nicht um mich und mein Wohl, so seine Erkenntnis, es geht ausschließlich um Gott und seinen Willen.
Also: Egal, zu welchem Ziel mich Gott bestimmt hat, ob er mich in der Hölle oder im Paradies sehen will, egal ob ich einmal verdammt oder verherrlicht werde, das ist völlig gleichgültig, Hauptsache Gottes Wille geschehe, im Himmel genauso wie auf Erden. Es ist die Getsemani-Stunde des jungen Franz von Sales: „Wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille“ (Mt 26,42). Nur noch eine einzige persönliche Bitte hatte Franz: „Wenn ich verdientermaßen ein Verdammter unter Verdammten sein muss, die dein überaus gütiges Angesicht nicht schauen werden, dann gewähre mir wenigstens, dass ich nicht einer von denen sei, die deinem heiligen Namen fluchen.“8
Es ist also völlig egal, was mit mir geschieht, Gottes Wille soll geschehen, weil dieser Wille das beste ist, was mir passieren kann, weil dieser Wille seine Liebe ist, die alles überblickt, alles im Griff hat, wo unser kleiner menschlicher Verstand überhaupt nicht mehr mitkommt. Etienne-Jean Lajeunie meint dazu: „Die Hauptsache ist damit geschafft; die reine Liebe ist geboren, und allsogleich nimmt die Krise ihr Ende.“9
Von diesem Tag an ist Franz von Sales der „Lehrer der Liebe“, zu dem er 1877 vom seligen Papst Pius IX. dann auch kirchenamtlich erklärt wurde.10
1616 veröffentlicht er sein theologisches Gesamtkonzept dieser göttlichen Liebe. Über zehn Jahre lang arbeitete er an dieser „Abhandlung über die Gottesliebe“11 oder auch „Theotimus“ genannt. Noch bevor er an sein pädagogischen Konzept der „Philothea“ dachte, befasste er sich bereits mit einer Theologie der Gottesliebe.12
Die Geburtsstunde des „Theotimus“ geht in das Jahr 1589 zurück, als er von seiner großen Glaubenskrise befreit wurde, in dem sein Gottesbild des selbstgerechten Richtergottes in einen über alles liebenden Gott umgewandelt wurde, der – egal, was auch immer geschieht – das Beste für den Menschen will, von allem Anfang an und zu allen Zeiten und in Ewigkeit. Nichts, nicht einmal die Erfahrung größten Leids, ob Pest, Krieg, Krankheit, Tod, wird Franz von Sales von diesem Bild des liebenden Gottes bis zu seinem eigenen Tod 1622 abbringen.13
Wenn er keine Erklärung für das Handeln Gottes in dieser Welt hat, dann fügt er sich in dessen Größe. Lassen wir Gott seine Größe, und diese Größe ist seine Unbegreiflichkeit. „Die Beweggründe der göttlichen Vorsehung wären sehr armselig,“ schreibt er im „Theotimus“, „könnten wir kleinen Geister sie einsehen; sie wären weniger anziehend in ihrer Anmut und weniger wunderbar in ihrer Majestät, wären sie weniger entfernt von unserer Fassungskraft.“14
Daraus folgert er: „Darum meint ja auch der hl. Augustinus, dass zwar die Beweggründe des göttlichen Willens höchst wahr sind, jedoch unser Erkennen und Begreifen so sehr übersteigen, dass wir darüber nichts Sicheres aussagen können, außer auf Grund einer Offenbarung Gottes selbst, der alles weiß. Da aber die Kenntnis dieser Geheimnisse für unser Heil nicht zuträglich wäre, im Gegenteil ihre Unkenntnis uns nützlicher ist, um uns in der Demut und Unterwerfung zu erhalten, deshalb wollte Gott sie auch nicht offenbaren. Selbst der heilige Apostel Paulus wagte nicht, darüber zu forschen, sondern bezeugte die Unzulänglichkeit unserer Erkenntniskraft, da er ausrief: ‚O Tiefe der Reichtümer der Weisheit und Wissenschaft Gottes!’ (Röm 11,33).“15
Und: Es ist gefährlich sich zu sehr und zu nahe mit diesen unbegreiflichen Plänen Gottes zu befassen. Wir könnten uns gleich Schmetterlingen, die um die Flamme schwirren, sehr leicht die Flügel verbrennen: „Niemals dürfen wir unserem Verstand erlauben, in ehrfurchtsloser Neugierde die Flamme göttlicher Ratschlüsse zu umflattern. Gleich kleinen Schmetterlingen würden wir uns nur die Flügel verbrennen und im Feuer dieser heiligen Flamme zugrunde gehen.“16
Alles, was wir wissen und glauben müssen, ist die Tatsache, dass dieser Gott ein Gott der Liebe ist, und ein liebender Gott wird eben alles, was er tut, deshalb tun, damit es für uns Menschen zum Besten gereicht. Wenn wir sein Handeln nicht verstehen, dann liegt das nicht an der göttlichen Liebe, sondern an unserem menschlichen Unwissen. Nach seiner Krise hatte also Franz von Sales nur noch ein einziges Ziel: Allen Menschen von diesem Gott der Liebe zu berichten und sie dazu anzuregen, Gottes Liebe zu folgen. Die Liebe Gottes ist der Grund allen Lebens und das Ziel, auf dem alles Leben hinstrebt.17
Jede Pädagogik, die sich Franz von Sales zum Vorbild nimmt, hat dieses Grundprinzip zu bedenken: Gott ist die Liebe, diese Liebe ist unser Fundament und unser Ziel. Ganz wichtig gerade für die Erziehung ist, dass damit dem Menschen keine Lasten und Bürden aufgelegt werden, dass es nicht um einen Tyrannengott geht, der mit dem Menschen seine Machtspiele treibt, sondern dieses Fundament und dieses Ziel deshalb besteht, weil es das Beste für den Menschen ist, weil es „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) bedeutet. Es geht also nicht um das „Du musst“ und „Du sollst“ und „Du darfst“, sondern um das Ja zu einem Gott, der mich liebt, so als wäre ich der einzige Mensch auf der Welt.
„Wie ergreifend ist doch dieser Gedanke,“ schreibt Franz von Sales, „Gott dachte in seiner Güte an dich, er liebte dich und verschaffte dir so viele Mittel zum Heil, als gäbe es sonst keine Seele auf dieser Welt, an die er dächte. Wie die Sonne deshalb einem Platz der Erde nicht weniger Licht spendet, wenn sie ihre Strahlen gleichzeitig auch an andere sendet, so hat der Heiland aller seiner Kinder gedacht und für sie gesorgt. Er hat an jeden von uns gedacht, als ob er sich um alle anderen nicht kümmerte. ‚Er hat mich geliebt’, sagt der hl. Paulus, ‚und hat sich für mich hingegeben’ (Gal 2,20), als wollte er sagen: für mich allein, als hätte er es nicht gleichzeitig für alle getan. Das musst du deiner Seele tief einprägen, um deine Entschlüsse zu lieben und zu stärken, denn sie sind dem Herzen deines Heilands so teuer.“18
Dienstag, 15. März 2011
Taufgedanken
Die meisten protestantischen Gemeinden erkennen nur zwei Verordnungen an, die Taufe und das Abendmahl. Ausnahmen können in bestimmten anderen Gemeindeformen gefunden werden, bei denen zum Beispiel die Fußwaschung eine weitere Verordnung ist (Joh 13). Die römisch-katholische Kirche fügt noch zahlreiche andere Verordnungen ("Sakramente") hinzu. Nur die Taufe und das Mahl des Herrn sind fast überall anerkannt.
1. Das Verordnung der Wassertaufe ist in der Kirchengeschichte Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen gewesen und hat zu grundlegenden Trennungen in der organisierten Kirche geführt. Auseinandersetzungen gab es über zwei Punkte: 1. ob die Wassertaufe nur ein Ritual ist oder dem Getauften tatsächlich eine übernatürliche Segnung zuteil werden läßt; 2. die Frage nach der Art der Taufe, ob ausschließlich durch Untertauchen oder durch Besprengung.
Diejenigen, die die Wassertaufe für ein Ritual halten, sind der Meinung, sie stelle eine geistliche Wahrheit da, vermittle dem Getauften jedoch selbst keinerlei übernatürliche Gnade oder göttliches Leben. Dies ist die bessere Auslegung. Andere glauben an die "Taufwiedergeburt", d.h. sie meinen, die Wassertaufe wirke die Wiedergeburt des Gläubigen. Wieder andere vertreten die Ansicht, sie vermittle nur eine gewisse Gnade sowie die Neigung zum Glauben und zum Gehorsam dem Evangelium gegenüber. Jene, die die Wassertaufe nicht nur als Ritual verstehen, sprechen von ihr als einer wirklichen Taufe, die untrennbar in Beziehung steht zur Taufe des Geistes und zur Wiedergeburt des Gläubigen.
Ein zweites Problem erhebt sich bei der Durchführung der Taufe. Hier scheint sich die Kontroverse um die Frage zu drehen, ob bei dem Verordnung der Taufe der primäre oder sekundäre Sinn gemeint ist. Die primäre Bedeutung von "taufen" ist "versenken" oder "eintauchen" in eine Substanz wie z. B. Wasser. Das griechische Wort für "untertauchen" wird im Zusammenhang mit der Wassertaufe nie gebraucht. Daraus schließen einige, daß Taufe im übertragenen Sinne von Einführung (Initiation) gemeint sei, wobei der Getaufte von einer früheren Beziehung in eine neue übergehe.
Christus spricht von Seinem Leiden im Tod als einer Taufe (Mt 20,22-23), und von den Israeliten, die durch das Rote Meer gingen, ohne daß sie mit dem Wasser in Berührung kamen, wird gesagt, daß sie getauft wurden in der Wolke und im Meer (1Kor 10,2). Darum wird argumentiert, das Untertauchen im Wasser sei nicht notwendig für eine schriftgemäße Taufe.
In der Kirchengeschichte entstand die Praxis, Wasser über den Täufling zu gießen, in Anlehnung an das Symbol der Ausgießung des Geistes in der Errettung, oder ihn mit Wasser zu "besprengen". Die Geschichte dieser Lehre ist gekennzeichnet von endlosen Diskussionen. In einigen Fällen, wie zum Beispiel bei der Taufe Christi, scheint der Täufling untergetaucht worden zu sein. In anderen Beispielen, wie bei der Taufe des Kerkermeisters von Philippi (Apg 16,33) ist es sehr unwahrscheinlich, daß der Kerkermeister und sein ganzer Haushalt in der Dunkelheit des frühen Morgens untergetaucht wurde.
Weil die Taufe durch Untertauchen von allen als rituelle Taufe anerkannt ist, neigen viele Gemeinden dazu, diese Taufart zu wählen, anstatt sich über die Frage auseinanderzusetzen, ob die Besprengung richtig ist oder nicht. Zweifellos ist der Taufart eine unangemessen große Bedeutung zugeschrieben worden, da die viel wichtigere Frage ist, ob der Täufling wiedergeboren und durch den Geist in den Leib Christi hineingetauft ist. In den Bibellexika können Argumente für und gegen die verschiedenen Definitionen der Bedeutung und der Taufart gefunden werden.
Ein weiteres Problem in bezug auf die Taufe als Ritual ist die Frage der Kindertaufe im Gegensatz zur Glaubenstaufe. Über die Kindertaufe ist relativ wenig in der Bibel zu finden. Ihre Anhänger betrachten die Kindertaufe gewöhnlich als das zeitgenössische Symbol für das Abgesondertsein für Gott, ähnlich wie die Beschneidung im Volk Israel. Obwohl ganze Haushalte getauft wurden, wie in Apg 16, zu denen wahrscheinlich auch Kinder gehörten, gibt es sonst keinen eindeutigen Fall von Kindertaufe. Daher bevorzugen die meisten Gemeinden die Darbringung der Kinder. Getauft werden nur Menschen, die wirklich an Christus glauben und die alt genug sind, eine solche Entscheidung zu treffen.
Die Kindertaufe kann nicht mehr als ein Ausdruck des Glaubens und der Hoffnung der Eltern sein, daß ihr Kind später einmal errettet wird. Die Erwachsenentaufe sollte in jedem Fall den Erweis echten Glaubens an Christus zur Voraussetzung haben. Obwohl die Taufart nicht unbedingt mit der Frage nach der Kindertaufe zusammenhängt, werden Kinder in der Regel durch Besprengung getauft und nicht durch Untertauchen. Diejenigen, die nur das Untertauchen als Taufart akzeptieren, sind in der Regel auch für die Glaubenstaufe.
Ungeachtet der Taufart ist die Bedeutung der Taufe, daß der Gläubige abgesondert wird von dem, was er ohne Christus war zu dem, was er nun in Christus ist, da er nun teilhat an den Auswirkungen des Todes und der Auferstehung Christi. Die Urgemeinde hat das Ritual der Taufe konsequent befolgt, und in praktisch allen Zweigen der Gemeinde gibt es heutzutage die Wassertaufe in irgendeiner Form.