Sonntag, 12. Juli 2009

Offenbarungserkenntnis teil 2

Nochmal aus dem Buch
Das normale Christenleben von Watchman Nee

Fragt man verschiedene Gläubige, die ein normales Christenleben führen, wie sie zu dieser Erfahrung kamen, werden einige dieses, andere jenes erzählen. Jeder betont seine spezielle Art und Weise, wie er zu dieser Erfahrung kam, und zieht die Schrift heran, seine Erfahrung zu untermauern. Leider verwenden viele Christen ihre speziellen Erfahrungen und besonderen Verse dazu, um gegen andere Christen zu Felde zu ziehen. Wir sollten erkennen, daß Christen auf verschiedene Weise zu einem tieferen Leben mit dem Herrn kommen. Wir sollten also nicht die Erfahrungen und Lehren anschauen, die manche für allein gültig halten, sondern sollten sie vielmehr als einander ergänzend betrachten. Eines ist jedoch sicher: jede in den Augen Gottes echte und wertvolle Erfahrung wird nur durch eine jeweils neue Entdeckung von der Bedeutung der Person und des Werkes des Herrn Jesus gewonnen. Dies ist ein wichtiger und sicherer Maßstab.

In dem von uns betrachteten Abschnitt macht Paulus alle Erfahrungen von solch einer Entdeckung abhängig. ,,Da wir dies wissen, daß unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde unwirksam würde, so daß wir der Sünde nicht mehr als Sklaven dienen“ (Röm. 6:6).

Göttliche Offenbarung ist grundlegend für unsere Erkenntnis

Es sollte also unser erster Schritt sein, von Gott Erkenntnis durch Offenbarung zu erbitten – eine Offenbarung nicht über uns selbst, sondern des vom Herrn Jesus Christus am Kreuz vollbrachten Werkes. Hudson Taylor, der Gründer der China-Inlandmission, begann sein normales Christenleben folgendermaßen: Vielleicht erinnert ihr euch, wie er lange um ein Leben ,,in Christus“ rang und versuchte, den Lebenssaft aus dem Weinstock für sich in Anspruch zu nehmen. Er war sich bewußt, daß das Leben Christi durch ihn hindurch und zu anderen hinfließen mußte, doch er wußte, daß dies nicht der Fall war. Er sah deutlich, daß er dazu in Christus erfunden werden mußte. ,,Ich wußte“, schrieb er 1869 in einem Brief aus Chinkiang an seine Schwester, ,,daß alles in Ordnung sein würde, wenn ich nur in Christus bleiben könnte, aber ich konnte nicht.“

Je mehr er versuchte, hineinzukommen, desto mehr entdeckte er, wie er gewissermaßen wieder herausfiel, bis eines Tages das Licht anfing zu scheinen, er Offenbarung bekam und etwas sah. Er beschreibt diese Erfahrung folgendermaßen: ,,Hier, liegt das Geheimnis, das fühle ich! Nicht danach fragen, wie ich den Saft aus dem Weinstock in mich bekomme, sondern daran denken, daß Jesus der Weinstock ist mitsamt seiner Wurzel, dem Stamm, den Ästen, den Zweigen, Blättern, Blüten und Früchten, daß er tatsächlich alles ist.“

Er zitiert dann die Worte eines Freundes, die ihm eine Hilfe waren und fährt fort:

,,Ich brauche mich nicht selbst zur Rebe zu machen. Jesus sagt mir, daß ich eine Rebe bin. Ich bin ein Teil von ihm und brauche das nur zu glauben und danach zu handeln. Ich weiß das schon lange aus der Bibel, doch erst jetzt glaube ich es als lebendige Wirklichkeit.“

Es war, als wenn eine schon immer bestehende Wahrheit plötzlich für ihn persönlich ganz neu wahr geworden wäre. Er schreibt darüber an seine Schwester:

,,Ich weiß allerdings nicht, ob es mir ganz gelingen wird, mich dir verständlich zu machen, weil es eigentlich nichts Neues, Fremdes oder Wunderbares ist – und dennoch ist alles neu! Mit einem Wort: ,Ich war blind und bin nun sehend.‘ Ich bin mit Christus gestorben und begraben – ja, auch auferstanden und gen Himmel gefahren! ... So sieht mich Gott und befiehlt mir, mich selbst so zu sehen. Er weiß es am besten ... Oh, welche Freude, diese Wahrheit zu erkennen! Ich bete nur, daß die Augen deines Verständnisses erleuchtet werden, damit du erkennst und erlebst, welche Reichtümer uns in Christus frei geschenkt sind.“*

Oh, es ist großartig zu sehen, daß wir in Christus sind! Stellt euch nur einmal die Verwirrung vor, die jemanden befällt, der versucht, in einen Raum hineinzugelangen, in dem er sich bereits befindet! Bedenkt einmal, wie absurd es wäre, um Einlaß zu bitten! Wenn wir erkennen, daß wir bereits im Raum sind, bemühen wir uns nicht mehr darum, noch hineinzukommen.

Hätten wir mehr Offenbarung, würden wir weniger bitten und mehr loben. Wir beten so viel für uns selbst, weil wir keine Augen dafür haben, was Gott bereits getan hat.

Ich erinnere mich an eine Begebenheit in Schanghai. Ich unterhielt mich damals mit einem Bruder, der sich sehr viel mit seinem geistlichen Zustand beschäftigte. So sagte er zum Beispiel: ,,So viele Christen leben ein wunderschönes, heiliges Leben. Ich schäme mich meiner selbst. Ich nenne mich einen Christen, doch wenn ich mich mit anderen vergleiche, zweifle ich manchmal daran, daß ich wahrhaftig ein Christ bin. Ich möchte ein Christ sein, der das gekreuzigte Leben kennt, der das Auferstehungsleben kennt, aber ich kenne es nicht und weiß auch nicht, wie ich dahin kommen soll.“ Es war damals bei diesem Gespräch noch ein anderer Bruder dabei, und beide versuchten wir ungefähr zwei Stunden lang, diesem Bruder zu zeigen, daß er außerhalb von Christus auch nichts erreichen konnte, doch ohne Erfolg. Unser Freund sagte: ,,Das Beste, was ich tun kann, ist beten.“ – ,,Wenn Gott dir aber bereits alles geschenkt hat, was mußt du dann noch bitten?“, fragten wir. ,,Er hat mir ja noch nicht alles geschenkt“, antwortete der Mann, ,,weil ich noch immer meine Geduld verliere und ständig versage.

Ich muß also noch mehr beten.“ – ,,Gut“, sagten wir, ,,bekommst du denn auch, worum du bittest?“ – ,,Leider muß ich gestehen, daß ich überhaupt nichts von dem bekomme“, erwiderte er. Wir versuchten, ihm zu erklären, daß genauso, wie er nichts für seine Rechtfertigung getan hatte, er auch nichts für seine Heiligung zu tun brauchte.

Gerade in dem Augenblick kam ein dritter Bruder, den der Herr schon oft benutzt hatte, herein und schaltete sich in das Gespräch ein. Eine Thermosflasche stand auf dem Tisch, und er nahm sie und fragte: ,,Was ist das?“ – ,,Eine Thermosflasche.“ – ,,Gut, stell dir einmal vor, daß diese Thermosflasche beten kann, und daß sie ungefähr folgendermaßen anfängt zu beten: ,Herr, ich wäre so gern eine Thermosflasche. Bitte mache aus mir eine Thermosflasche. Herr, gib mir Gnade, eine Thermosflasche zu werden. Ich bitte dich inständig darum!‘ Was würdest du dazu sagen?“ – ,,Ich glaube, daß nicht einmal eine Thermosflasche so dumm wäre, so zu bitten“, antwortete unser Freund. ,,Es wäre Unsinn, so zu beten, denn sie ist ja schon eine Thermosflasche!“ Unser dritter Bruder sagte damals: ,,Du tust genau dasselbe. Gott hat dich vor fast zweitausend Jahren bereits in Christus eingeschlossen.

Als er starb, starbst du mit ihm, als er wieder lebendig wurde, wurdest auch du lebendig. Du brauchst heute nicht zu sagen: ,Ich möchte sterben, ich möchte das Auferstehungsleben empfangen.‘ Der Herr wird dich einfach nur anschauen und sagen: ,Du bist schon tot! Du hast bereits neues Leben empfangen!‘ All deine Gebete sind genauso absurd wie das Gebet der Thermosflasche. Du brauchst den Herrn um gar nichts mehr zu bitten. Deine Augen müssen nur noch geöffnet werden, damit du erkennst, daß er bereits alles getan hat.“

Darum geht es. Wir brauchen uns nicht anzustrengen zu sterben, wir brauchen auch nicht darauf zu warten, daß wir sterben, denn wir sind bereits tot. Wir müssen lediglich erkennen, was der Herr bereits getan hat und ihn dafür loben. Nun ging diesem Mann ein Licht auf. Mit Tränen in den Augen sagte er: ,,Herr, ich lobe dich, daß du mich bereits in Christus eingeschlossen hast. Alles, was sein ist, ist auch mein!“ Er empfing eine Offenbarung und konnte diese Tatsache im Glauben ergreifen.

Als wir diesen Bruder später wieder trafen, konnten wir eine große Veränderung in ihm feststellen.

Das Kreuz geht unserem Problem an die Wurzel

Ich möchte euch noch einmal vor Augen führen, wie grundlegend das Werk des Herrn am Kreuz war. Ich glaube, ich kann diese Tatsache nicht oft genug betonen. Wir müssen eine Sicht dafür bekommen.

Stellt euch zum Beispiel vor, die Regierung eures Landes wolle das Problem des Alkohols durch drastische Maßnahmen angehen. Sie beschließt also, alle alkoholischen Getränke zu verbieten. Wie kann solch eine Entscheidung in die Tat umgesetzt werden? Würde es ausreichen, jedes Geschäft und jedes Haus im ganzen Land zu durchsuchen und alle Weinflaschen, Bierflaschen oder dergleichen, derer man habhaft wird, zu zerschlagen? Natürlich nicht. Auf diese Weise könnte man zwar das ganze Land von jedem Tropfen Alkohol befreien, doch hinter diesen Flaschen stehen die Fabriken, die den Alkohol herstellen.

Beseitigte man nur die Flaschen, ließe die Fabriken aber unangetastet, ginge die Alkoholproduktion weiter, und das Problem wäre nicht gelöst. Nein, die Fabriken, die den Alkohol herstellen, die Brauereien und Schnapsbrennereien im ganzen Land müßten geschlossen werden, wenn das Problem des Alkohols wirksam und endgültig gelöst werden soll.

Wir sind diese Fabrik, und unsere Taten sind die Erzeugnisse.

Das Blut des Herrn Jesus hat die Erzeugnisse beseitigt, nämlich unsere Sünden. Die Frage unserer bösen Taten ist nun gelöst, doch sollte Gott dort aufgehört haben? Wie steht es mit dem Problem unseres Seins? Die Sünden, die wir begehen, wurden bereits beseitigt, doch wie werden wir beseitigt? Glaubt ihr, daß der Herr all unsere Sünden abwusch und es nun uns überläßt, die sündenerzeugende Fabrik abzureißen? Glaubt ihr, daß der Herr, nachdem er uns unsere Erzeugnisse weggenommen hat, uns mit der Beseitigung der gesamten Produktion allein läßt? Diese Frage beantwortet sich fast von selbst. Natürlich vollbrachte der Herr nicht nur die Hälfte des Werkes und überließ uns die andere Hälfte. Nein, er beseitigte die Erzeugnisse und ebenso die Fabrik, die diese herstellte.

Das vollbrachte Werk Christi ging dem Problem an die Wurzel und räumte es aus dem Weg. Gott blieb nicht auf halbem Wege stehen. Er sorgte dafür, daß die Macht der Sünde vollständig gebrochen wurde.

,,Da wir dies wissen, daß unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde unwirksam würde, so daß wir der Sünde nicht mehr als Sklaven dienen“ (Röm. 6:6). Aber wißt ihr es tatsächlich? ,,Oder wißt ihr nicht ...?“ (Röm. 6:3). Möge der Herr uns gnädig sein und uns die Augen öffnen!




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