Kolosser 2,16-23 11.11.2007
Die Hintergründe der Gesetzlichkeit
Ich möchte heute mit ihnen über ein Phänomen nachdenken, das immer wieder in christlichen Gemeinden anzutreffen ist. Es ist das leibhaftige schlechte Gewissen. Kennen sie das? Das leibhaftige schlechte Gewissen? Ich habe es zum Glück in unserer Gemeinde noch nicht angetroffen. Vielleicht ist er mir bisher aus dem Weg gegangen. Aber ist glaube, dass es sein Unwesen zur Zeit bei uns nicht treibt. Falls sie es doch antreffen sollten, dann sagen sie mir oder den Gemeindeältesten sofort Bescheid. Ist ihnen das leibhaftige schlechte Gewissen schon einmal begegnet? Vielleicht in anderen Gemeinden?
Das leibhaftige schlecht Gewissen zeigt sich in Christen, die auf dem ersten Blick sehr vorbildlich und sehr gewissenhaft sind. Diese Leute leben eine beeindruckende Frömmigkeit, sind sehr diszipliniert. Sie wissen sehr viel über die Bibel bescheid. Aber wenn man sich länger mit diesen Leuten unterhält, dann kriecht so ein komisches Gefühl in einen hinein. Man kann es erst gar nicht richtig einordnen, was da passiert. Irgendwie wird man unruhig. Und auf einmal ist es da! Das schlechte Gewissen! Auf einmal kommt man sich so klein und mickrig vor. Man merkt plötzlich wie schlecht man eigentlich noch ist. Da hat man sich immer für einen guten Christen gehalten, doch plötzlich gehen einem die Augen auf und man sieht, was man alles noch nicht richtig macht. Das geht soweit, dass man sich auf einmal fragt, „Ja bin ich eigentlich schon ein richtiger Christ!“ Und dann schlägt das leibhaftige schlechte Gewissen gnadenlos zu. Es sagt uns dann, was man alles tun muss, um ein richtiger Christ zu sein. Und es erklärt was man nicht mehr tun darf, wenn man richtig gläubig ist. Das leibhaftige schlechte Gewissen hat dann erfolgreich zugeschlagen, wenn sie eine lange Liste von Dingen gesagt bekommen, die sie künftig unbedingt beachten müssen und wenn sie sich nicht mehr sicher sind, ob sie tatsächlich gerettet sind.
Dieses Schreckgespenst, gut getarnt als vorbildliche Christen, gab es zu allen Zeiten in den Gemeinden. Schon der Apostel Paulus hat es massiv bekämpfen müssen. Z.B. bei den Christen in Kolosä. Er schreibt dazu in seinem Brief an die Kolosser: 2,16-23 16 So lasst euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats.
17 Das alles ist nur ein Schatten des Zukünftigen; leibhaftig aber ist es in Christus.
18 Lasst euch den Siegespreis von niemandem nehmen, der sich gefällt in falscher Demut und Verehrung der Engel und sich dessen rühmt, was er geschaut hat, und ist ohne Grund aufgeblasen in seinem fleischlichen Sinn
19 und hält sich nicht an das Haupt, von dem her der ganze Leib durch Gelenke und Bänder gestützt und zusammengehalten wird und wächst durch Gottes Wirken.
20 Wenn ihr nun mit Christus den Mächten der Welt gestorben seid, was lasst ihr euch dann Satzungen auferlegen, als lebtet ihr noch in der Welt: 21 Du sollst das nicht anfassen, du sollst das nicht kosten, du sollst das nicht anrühren? 22 Das alles soll doch verbraucht und verzehrt werden. Es sind Gebote und Lehren von Menschen,
23 die zwar einen Schein von Weisheit haben durch selbsterwählte Frömmigkeit und Demut und dadurch, dass sie den Leib nicht schonen; sie sind aber nichts wert und befriedigen nur das Fleisch.
Paulus holt hier in seinem Brief zum massiven Gegenschlag gegen die Irrlehrer in der Gemeinde aus, gegen diese selbsternannten christlichen Oberlehrer, die sich in ihrem Perfektionismus gefallen. Er zieht ihnen das fromme Mäntelchen weg und entlarvt darunter einen widerlichen Egoismus. Ich habe zur Erinnerung noch einmal die beiden Verse vom letzten Predigtabschnitt hinzugenommen. Vor allem der Vers 14 ist wichtig. Das ist ein Vers, den wir uns zum Schutz gegen das leibhaftige schlechte Gewissen einprägen sollten.
„Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.“
Das ist eine geniale Aussage! Wer Jesus seine Schuld bekannt hat, wer also gesagt hat, „Jesus, deine Anforderungen an mich, kann ich nicht erfüllen. Ich bekenne dir, dass ich auf der ganzen Linie schuldig bin.“, wer zu seinen Sünden steht und akzeptiert, dass Gott einen Schuldbrief gegen uns in der Hand hat. Wer also seine Schuld bekennt und damit Jesus diesen Schuldbrief übergibt, für den sind alle Forderungen von Gott abgegolten. Das ist evangelischer Glaube! Ich glaube, dass Jesus alle Forderungen, die Gott an uns Menschen richtet, für mich erfüllt hat. Jesus hat als einziger Mensch so gelebt, dass er den Ansprüchen Gottes Genüge getan hat. Deshalb konnte er sündlos für unsere Sünden bestraft werden. Ich glaube also, dass Jesus für mich alle Gebote erfüllt hat und dass er sich für meine Schuld bestrafen lassen hat. Damit ist der Schuldbrief getilgt und ans Kreuz genagelt. Gott stellt also keine Forderungen mehr an mich. Können sie sich das vorstellen? Gott stellt in diesem Fall keine Forderungen mehr an sie. Sie haben unverdient das ewige Leben bekommen. Sie müssen sich den Himmel nicht mehr verdienen, sie bekommen den Eintritt einfach so geschenkt.
Paulus sagt, „Das ist so! Die Forderungen des Gesetzes sind bereits alle erfüllt. Die logische Konsequenz daraus ist, dass niemand mehr das Recht hat, uns ein schlechtes Gewissen zu machen, wegen irgendwelchen Regeln. Wörtlich steht hier sogar, lasst euch von niemandem kritisieren. Dieses Wort bedeutet auch richten oder urteilen. Kennzeichen dieser Leute ist, dass sie andere Christen kritisieren und beurteilen. Mehr noch, sie richten. Sie nehmen für sich in Anspruch, dass sie Richter aus Gottes Gnaden wären. Denn sie gehen soweit, dass sie sagen, „Wenn du das oder das tust, dann bist du nicht gerettet!“ Oder: „Wenn du das nicht beachtest und das nicht beachtest, dann bist du noch kein richtiger Christ!“ Sie nehmen damit Christen den Siegespreis weg.
„Lasst euch den Siegespreis von niemandem nehmen!“ schreibt Paulus. Ich glaube, dass mein Schuldbrief am Kreuz hängt. Damit weiß ich, dass die ganze Schuld meines Lebens vergeben ist, auch die Schuld der Zukunft. Jesus ist für die ganze Schuld meines Lebens gestorben. Ich glaube auch, dass Gott damit keine Forderungen mehr an mich stellt. Ich habe die feste Gewissheit, dass ich erlöst bin und das ewige Leben habe. Das ist der Siegespreis. Den habe ich schon. Paulus gebraucht hier ein paradoxes Bild. Es ist ein Bild vom antiken Wettlauf. Wir laufen zwar alle noch den Marathon, aber es steht schon fest, dass wir alle gewinnen werden! Ich laufe und ich habe noch einiges zu laufen, aber im Ziel steht schon der Pokal. Und auf dem Pokal ist schon mein Name eingraviert. Für sie steht auch schon ein Pokal mit ihrem Namen bereit, wenn sie ihren Schuldschein Jesus abgegeben haben. Niemand auf der Welt hat das Recht, ihnen und diesen Siegespreis abzuerkennen. Es gibt nur einen Richter, und das ist Jesus. Jesus hat gesagt: (Joh 5,24 – auch ein Vers, denn man sich unbedingt einprägen sollte) „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“ Ich brauche vor dem letzten Gericht keine Angst zu haben, weil ich nicht mehr vor dem Richter antreten muss.
Denn der Richter ist mein Herr, Jesus! Ich gehöre zu ihm. Von daher muss ich auch vor keinem menschlichen, selbsternannten, frommen Richter mich beurteilen lassen, ob ich gerettet bin oder nicht.
In diesem Wort richten, kritisieren, beurteilen steckt auch das Wort trennen drin. Irrlehrer erkennt man also gut daran, wenn sie trennen. Sie sortieren gern in „Rechtgläubige“ und ub „Noch nicht richtig gläubige“ Dadurch sind schon viele Gemeinden und christliche Werke gespalten worden.
Diese Leute haben ganz unterschiedliche Motive für ihr Verhalten. Zum einen gibt es welche, die haben Angst, man könnte sich in der Welt verunreinigen. Dahinter steckt ein ganz ehrliches Anliegen. Sie möchten ganz Jesus gehören und sie möchten sich dem schlechten Einfluss der Welt entziehen. Das sind Leute, die sagen, was man als Christ alles nicht mehr darf. Das sind Dinge, die für viele Menschen selbstverständlich sind, aber ab jetzt verführen könnten. Z.B.
Alkohol. Paulus sagt dagegen, „Alkohol“ ist zum Verbrauch bestimmt. Paulus verbietet nicht den Genuss von Alkohol. Er sagt nur, dass wir uns nicht betrinken sollen (Eph 5,18). Paulus hat keine Angst vor Dingen, die uns verführen können. Denn Paulus behauptet, diese weltlichen Dinge haben keine Macht mehr über Christen.
Vers 20: „Wir sind mit Christus den Mächten der Welt gestorben.“ Damit will Paulus sagen, ein Christ ist schon von der Welt getrennt. Deutlicher als mit „gestorben“ kann man es nicht beschreiben. Wer tot ist, an den hat nichts auf dieser Welt noch irgendeinen Anspruch. Paulus sagt: „Christus ist mein Leben“ (Phil 1,21) Das bedeutet, er lebt ganz für Christus. Weil er ganz für Christus lebt, muss er nicht für den Alkohol leben oder für den Reichtum oder für den Erfolg. Aber Paulus konnte trotzdem einen guten Wein genießen, er konnte reich sein, schreibt er. Er konnte die angenehmen Dinge dieser Welt benützen. Vers 22, zum „Verbrauch“ und zum „Verzehr“. Aber er musste diesen Dingen nicht mehr dienen, also nicht für sie leben, denn er war ja für sie tot.
Gesetzliche Frömmigkeit dagegen hat Angst vor diesen Dingen. Damit üben sie noch eine verführerische Macht über sie aus. Anstatt sich ganz an Christus hinzugeben, konzentrieren sie sich ängstlich auf die Vermeidung. Dabei merken sie gar nicht, wie sie eigentlich noch von diesen Dingen gefangen sind. Paulus argumentiert: „Wenn ihr nun mit Christus den Mächten der Welt gestorben seid, was lasst ihr euch noch Satzungen auferlegen, als lebtet ihr noch in der Welt:“ Du darfst das nicht und du darfst dieses nicht usw.! Zu dieser ängstlichen Grundhaltung kommt aber häufig noch etwas viel gefährlicheres dazu.
Paulus entlarvt die geheimsten Motive der gesetzlichen Frömmigkeit. Es steckt ein widerlicher Egoismus dahinter. Das eigene Fleisch (= Ego) wird befriedigt. Getarnt ist der Egoismus durch eine falsche Demut, durch den Anschein von Weisheit, als wenn sie sehr tiefe Erkenntnisse hätten und durch eine Härte gegen sich selbst. Sie geben sich demütig, indem sie sagen, dass sie sich ganz den Ordnungen der Bibel unterwerfen. Sie sind nicht so hochmütig wie ein Paulus, der sich locker über biblische Vorschriften hinwegsetzt. Nein, sie halten alles peinlich genau ein. Nach außen sieht das sehr demütig aus, manchmal sogar sehr selbstlos. Sie leiden unter der Last und gönnen sich nichts. Das zeigt sich bis hin zu einem leidenden Gesichtsausdruck, jedoch gepaart mit einem vorwurfsvollen Zug. Diese Demut entlarvt Paulus als falsch und verlogen. Denn im Grunde erheben sie sich über andere Christen. Sie maßen sich an, Richter zu sein. Damit nehmen sie eine Stellung ein, die nur Jesus zusteht. Unter dem frommen demütigen Mäntelchen schaut die Überheblichkeit aus allen Knopflöchern.
Sie wollen mit ihrer Frömmigkeit imponieren und beeindrucken. Paulus nennt das „aufgeblasen“.
Und dabei wollen sie nicht nur den anderen Christen imponieren, sondern letztlich auch Jesus. Sie halten sich nicht am Haupt der Gemeinde, an Jesus, fest, sondern an ihrer eigenen Frömmigkeit.
Letztlich steckt dahinter ein gefährlicher Hang zur Selbsterlösung. Sie meinen, sie müssten selbst etwas dazu tun. Wenn sie nicht noch irgendwelche Forderungen erfüllen, dann reicht es nicht für den Himmel. Damit halten sie sich nicht an Jesus fest, sondern an ihrer eigenen Leistung. Damit wird schließlich das eigene Ego befriedigt.
Woran können wir eine falsche gesetzliche Frömmigkeit erkennen? Wie machen wir uns frei, von dem Urteil anderer Christen? Und was bewahrt uns davor, dass wir in eine schädliche Freizügigkeit abrutschen? In Kapitel 3,17 gibt uns Paulus einen guten Leitfaden: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.“ Mit diesem Leitfaden können wir unser ganzes Verhalten überprüfen: Kann Jesus unter das, was ich sagen will, seinen Namen setzen? Kann Jesus unter das, was ich vorhabe, seine Namen setzen? Wird dadurch Jesus geehrt und groß gemacht? Oder will ich mich groß machen? Oder will ich mein Ego befriedigen? Die Kriterien sind eigentlich sehr einfach und klar.
Ein letztes Kriterium nennt Paulus noch in Vers 19: Lasse ich mich in das Ganze der Gemeinde einbinden, oder will ich eine Sonderrolle spielen oder meinen individuellen Eigensinn nachgehen? Wer sich an Jesus, dem Haupt der Gemeinde, festhält, der wird sich auch in die Gemeinde einfügen und einbinden lassen. Das leibhaftige schlechte Gewissen, lässt sich nicht einbinden.
Deshalb ist es auch so schwer zu fassen. Wenn sie es treffen, dann halten sie sich an Christus und an seinen Worten fest. Lassen sie sich nicht einfangen! Amen.
Reinhard Reitenspieß
3 Kommentare:
sehr gut danke dafür, hab es gleich noch mal bei Facebook veröffentlicht
LG und GS Liane
Muß noch mal was schreiben, wegen der Benachrichtigungsfunktion, das vergess ich immer. Weiß dann nicht mehr wo ich was geschrieben habe und kann dann auch nicht mehr darauf antworten, jetzt hab ich die Benachrichtigung angeklickt.
Hallo Liane,
Willkommen hier,Ja es ist ne sehr gute Predigt.
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