Freitag, 24. Dezember 2010

Lebendig bleiben

Eine 10 Jahre alte Predigt von Siegi Ochs



Wie bleiben Christen lebendig?

Letztens waren Ille und ich zum Essen eingeladen und jedes Mal, wenn es meiner Frau geschmeckt hat – was meistens der Fall ist – wenn es ihr also so richtig geschmeckt hat und sie das Gericht noch nicht kannte, fragt sie anschließend nach dem Rezept.

Es ist für mich immer wieder erstaunlich, was so eine einfache Frage nach dem Rezept eines Essens alles auslösen kann. Auf einmal drehte sich alles nur noch ums Kochen und Backen und aus den Schränken und Schubladen wurden die Rezeptbücher geholt und betrachtet. Und gemeinsam und fast andächtig bestaunten wir die Bilder in den Rezeptbüchern wie kostbare und seltene Gemälde. Als würden wir einen van Gogh oder Rembrandt betrachten. Dabei war es nur Kuchen. Und ehrfurchtsvoll las man von den Zutaten und war begeistert von den Anweisungen.

Interessieren Sie sich auch für Rezepte? Kochrezepte? Backrezepte?

Also, ich interessiere mich mehr für die Ergebnisse als für die Regeln wie man ein bestimmtes Essen oder einen Kuchen zubereitet.

Das war schon so als ich ein kleiner Junge war. Meine Oma liebte Backrezepte. Alle möglichen Arten und Sorten von Backrezepten. Davon habe ich als kleiner Junge profitiert, von dem, was dabei raus kam, wenn sie sich so ein Backrezept vornahm und deren Anweisungen befolgte.

Unser Thema hört sich wie so ein Back- oder Kochrezept an: "Wie bleiben Christen lebendig?" Man nehme 1. 2. 3. und tue dies und lasse das...

Was meinen Sie: "Wie bleiben Christen lebendig?"

Nun, wir würden vielleicht sagen: "Um als Christ lebendig zu bleiben, musst Du Dich an ein paar Regeln halten:

Du solltest täglich beten

Solltest Du auch täglich in der Bibel lesen

Brauchst Du Gemeinschaft mit anderen Christen im Hauskreis

Gehe sonntags in den Gottesdienst

Solltest Du regelmäßig etwas von Deinem Geld Gott abgeben

Wäre es toll, wenn Du deinen Gaben entsprechend mitarbeitest

Solltest Du so leben, wie die Bibel es sagt

Jeder, der schon länger Christ ist, weiß das diese Regeln einfach wichtig sind. Ohne tägliches Beten und Bibellesen würde unserem Glauben bald die Luft ausgehen. Ohne Gemeinschaft mit anderen Christen im Hauskreis und ohne Gottesdienst würden wir bald auf der Strecke bleiben. Der richtige Umgang mit unserem Geld, mit unseren Gaben und mit unserer Zeit ehrt nicht nur Gott und hilft anderen, sondern ist auch heilsam für unser eigenes Herz. Das wir außerdem als Christen unser Leben nach den Anweisungen der Bibel ausrichten, liegt auf der Hand.

Ohne Regeln herrscht Chaos. Wenn es keine Verkehrsregeln geben würde und jeder so fahren könnte, wie er wollte, würde der Verkehr total zum Erliegen kommen. Ohne das Befolgen eines Backrezeptes gibt es keinen Kuchen. Rezepte sind ja schließlich auch dafür da, um befolgt zu werden! Wenn da Zucker steht, muss man diesen auch in der angegebenen Menge nehmen und kann ihn nicht einfach durch Salz ersetzen, auch wenn beides weiß aussieht! Das Ergebnis wäre verheerend und ungenießbar.

Schauen wir uns jetzt einmal an, was Paulus auf die Frage antwortet: "Wie bleiben Christen lebendig?", Galater 3, Verse 1 bis 5: Ihr unvernünftigen Galater, wer hat euch verblendet? Ist euch Jesus Christus nicht deutlich als der Gekreuzigte vor Augen gestellt worden? Dies eine möchte ich von euch erfahren: Habt ihr den Geist durch die Werke des Gesetzes oder durch die Botschaft des Glaubens empfangen? Seid ihr so unvernünftig? Am Anfang habt ihr auf den Geist vertraut, und jetzt erwartet ihr vom Fleisch die Vollendung. Habt ihr denn so Großes vergeblich erfahren? Sollte es wirklich vergeblich gewesen sein? Warum gibt euch denn Gott den Geist und bewirkt Wundertaten unter euch? Weil ihr das Gesetz befolgt oder weil ihr die Botschaft des Glaubens angenommen habt?

Eine erstaunliche Antwort, die aus lauter Fragen besteht.

Wenn man diese Verse und die Verse vorher liest, wird auf jedem Fall klar, dass die Christen, denen Paulus hier schreibt nicht mehr sehr lebendig waren. Ihr unvernünftigen Galater, wer hat euch verblendet?

Schon diese erste Frage macht deutlich, dass die Galater wie so ein ungenießbarer Kuchen waren und scheinbar Salz mit Zucker verwechselt haben.

Das ist ja das eigentlich erschreckende an diesem Text und an diesem ganzen Brief, dass Menschen, die eine tiefe Begegnung mit Christus hatten, nach einiger Zeit ungenießbar waren. Das es – wie wir hier bei den Galatern sehen – tatsächlich passieren kann, das Christen ihre Lebendigkeit verlieren.

Für die Galater stellte sich nicht mehr die Frage, wie sie lebendig bleiben, sondern wie sie wieder lebendigwerden.

Nachdem Paulus den Galatern die Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Christus vor Augen gemalt hatte, so als wären sie selbst dabei gewesen als Jesus mit seinen 12 Jüngern drei Jahre lang unterwegs war, um anschließend am Kreuz für sie und für uns alle sein Leben aus Liebe zu geben, damit sie und wir einen Ort haben, wo wir die Schuld unseres Lebens abladen können. Nachdem Paulus ihnen also Christus wie ein Bild vor Augen gemalt hat und ihr Herz dabei offen wurde und sie zum Glauben an Jesus kamen und sie anfingen mit Jesus tagtäglich und ganz alltäglich zu leben. Danach kamen sie – aus Jerusalem, ganz fromme Leute, wissende Leute. Menschen, die in der Bibel zu Hause waren, Menschen mit einem starken Sendungsbewusstsein. Nach der Predigt des Paulus hörten sie jetzt auf die Predigt dieser Leute, die ihnen vorwarfen, dass sie sich nicht an die Regeln halten und das alles auf diese Regeln ankommt. Biblische Regeln, alttestamentliche Regeln, gesetzliche Regeln: Was man essen darf und wie man sich zu waschen hat und wie man den Feiertag heiligt und dergleichen mehr. Lauter Regeln. 1. 2. 3. Man nehme, man tue, man lasse. Diese Leute zeigten den Galatern ihr Bild von einem guten Christen und machten ihnen den Mund damit wässrig: So lebt ein Christ. So sieht ein Christ aus. So verhält sich ein Christ. Ihr wollt doch weiterkommen. Ihr wollt doch euer Leben meistern.

Und die Galater wurden verblendet. Ihr unvernünftigen Galater, wer hat euch verblendet? muss Paulus fragen.

Liebe macht blind, sagt man. Die Wahrheit ist, das Liebe sehend macht. Was die Galater blind für die Wahrheit werden ließ, war nicht die Liebe, sondern die Selbstsucht. Sie wollten genauso fromm und gut wie die anderen sein. So wurden sie verblendet, oder behext, bezaubert, so kann man dieses Wort auch übersetzen.

Es geht eine unheimliche Macht von den Regeln aus. Wer die Regeln kennt, wer die Regeln beherrscht, der kann das Leben meistern. Es ist ja auch scheinbar so viel einfacher sich an bestimmte Regeln zu halten, statt einfach aus dem Glauben heraus zu leben. Man kann z.B. die Regel beachten, als Christ jeden Sonntag in den Gottesdienst zu gehen und das jahraus jahrein tun, ohne dabei tatsächlich und wirklich Gott zu begegnen. Man kann z.B. die Regel beachten, als Christ in den Hauskreis zu gehen und das jahraus jahrein tun, ohne dabei tatsächlich und offen einander wirklich zu begegnen.

Paulus malte den Galatern Christus vor Augen. Die Leute aus Jerusalem malten den Galatern einen guten Christen vor Augen. Dieses Bild sah auch viel besser aus. Kein hässlicher armseliger und gekreuzigter Jesus, sondern ein erfolgreicher starker und beklatschter Christenmensch. Wer hängt sich schon einen Gekreuzigten ins Zimmer. Da hängen wir doch viel lieber unsere Urkunden auf.

Das ist die unheimliche Macht, die von den Regeln ausgeht. Das sie mir den Blick für den gekreuzigten Christus vernebeln, durch dessen Liebe und Gnade ich lebenslang lebe und mir stattdessen den Spiegel vorhalten und auf einmal kommt wieder alles auf mich an und darauf, dass ich die Regeln befolge um mir anschließend die Urkunden an die Wand hängen zu können und andere einlade in mein Zimmer und sage: "Guck mal, ist das nicht toll, das habe ich gemacht. Bin ich nicht toll?"

Am Anfang hat man geglaubt und vertraut. Da hat man sich Jesus angeschaut, hat ihm in die Augen geschaut, ganz tief und sich in diesen Augen verloren, in diesen Augen voller Liebe.

Dann kam der Moment, wo man von Jesus weg auf sich und die anderen schaute, auf das eigene Leben und die Regeln und wo man es sich und den anderen beweisen wollte. Wo der Glaube alleine nicht mehr reichte, sondern Taten zählten. Wo man etwas darstellen wollte.

Dies eine möchte ich von euch erfahren sagt Paulus: Habt ihr den Geist durch die Werke des Gesetzes oder durch die Botschaft des Glaubens empfangen? Seid ihr so unvernünftig? Am Anfang habt ihr auf den Geist vertraut, und jetzt erwartet ihr vom Fleisch die Vollendung.

Lebendigkeit oder Sterben entscheidet sich für uns als Christen nicht am Einhalten von bestimmten Regeln, sondern daran, wen wir anschauen:

den gekreuzigten Jesus

oder uns selbst

Lebendigkeit oder Sterben entscheidet sich für uns als Christen nicht am Einhalten von bestimmten Regeln, sondern daran, wem wir vertrauen:

dem heiligen Geist

oder uns selbst, unserem Fleisch, wie Paulus schreibt

Was ist wichtiger: Der Kuchen oder das Rezept?

Stellen wir uns vor, es ist Gemeindeversammlung und statt Kuchen liegen nur die entsprechenden Rezepte aus.

Die Rezepte dienen einzig und allein dem Ergebnis, dem fertigen Kuchen. Wenn sie das Ergebnis nicht mögen, z.B. den Käsekuchen meiner Mutter, werden sie die Regeln nicht anwenden, die notwendig sind, um diesen Käsekuchen zu bekommen.

Regeln sind wichtig und notwendig, aber wir dürfen sie niemals mit dem Ziel verwechseln. Der fertige Kuchen ist entscheidend. Klar, dafür haben einige von uns in der Küche gestanden und sich hoffentlich auch genau an die Regeln gehalten.

Jetzt werden wir heute Nachmittag also keine Rezepte serviert bekommen, sondern leckeren Kuchen, ganz unterschiedlichen Kuchen, so verschieden die Kuchen sein werden, so verschieden sind auch die entsprechenden Regeln für die einzelnen Kuchensorten.

Es gibt nicht nur ein Rezept. Ich habe keine Ahnung wie viele unterschiedliche Backrezepte es gibt. Wahrscheinlich wird es so viele Rezepte geben, wie es Kuchen gibt.

Für uns heute Nachmittag werden die einzelnen Rezepte keine Rolle spielen, sondern das Ergebnis, die fertigen Kuchen. Wir wollen den Kuchen genießen und nicht die Regeln.

Dabei wird es auf eins entscheidend ankommen – über das wir uns gar nicht bewusst sind - das wir denen vertrauen und Glauben schenken, die die Kuchen gebacken haben.

Lebendigkeit oder Sterben entscheidet sich für uns als Christen nicht am Einhalten von bestimmten Regeln, sondern daran, wem wir vertrauen:

dem heiligen Geist

oder uns selbst

Lebendigkeit oder Sterben entscheidet sich für uns als Christen nicht am Einhalten von bestimmten Regeln, sondern daran, wen wir anschauen:

den gekreuzigten Jesus

oder uns selbst

Wenn Sie sich zu Hause in die Küche stellen und etwas tolles zu Essen machen und sich dabei an ganz bestimmte Regeln halten um ein ganz bestimmtes Ergebnis zu erreichen, weshalb tun sie das?

Weil man die Regeln einhalten muss? Oder weil sie sich selbst oder einem anderen eine Freude machen wollen?

Liebe geht durch den Magen, sagt man. Dafür stehen manche Stunden in der Küche. Aus lauter Liebe. Für einen anderen.

Klar, dass bei so einem tollen Essen auch der Koch gelobt wird. Aber das Essen wird einem nicht mehr schmecken, wenn man merkt, der andere hat mich nur bekocht, um mir zu zeigen, wie toll er ist und um sich so meine Anerkennung einzukaufen. Ich war nur Mittel zum Zweck. Der hat sich nur an die Regeln gehalten und in die Küche gestellt, um beklatscht zu werden.

Keiner, der sich in die Küche stellt, würde das Rezept höher achten, als den fertigen Braten. Er weiß, dass man bestimmte Regeln beachten muss, um bestimmte Ergebnisse zu bekommen.

Die Tragik der Galater ist das aus dem verlorenen Sohn in Lukas 15 der ältere Sohn wurde. Die Galater kamen wie verlorene Söhne nach Hause, begannen im Glauben und vertrauten auf den Heiligen Geist. Doch kaum waren sie zu Hause, fingen sie an wie der ältere Sohn nach den Regeln zu leben. Ihr unvernünftigen Galater, wer hat euch verblendet?

Interessant ist, dass man das griechische Wort für "verblendet" auch mit "verleumden" oder "beneiden" wiedergeben kann.

Der ältere Sohn beneidete seinen jüngeren Bruder und er verleumdete ihn.

Wer allein von Christus lebt und darauf vertraut, dass Gottes Geist ihn schon richtig führt, wird von den beneidet und verleumdet, die wie der ältere Sohn auf ihre Leistungen pochen.

Diese 5 Verse bestehen aus lauter Fragen.

"Wie bleiben Christen lebendig?" Wenn sie das Fragen nicht verlernen!

Neben den Krisen meines Lebens, bin ich vor allen Dingen durch Fragen, durch Fragen, die andere mir stellten und durch Fragen, die ich selbst stellte, weitergekommen. Selten haben mich Antworten verändert oder in Bewegung gebracht. Meistens waren es Fragen.

Die richtigen Fragen zu stellen ist wichtiger als die richtigen Antworten zu wissen oder zu geben.

Paulus fordert uns mit seinen Fragen heraus.

Jesus oder ich?

Geist oder Fleisch?

Glauben oder Regeln?

"Wie bleiben Christen lebendig?"

durch Glauben

Glauben an den Gekreuzigten. Das er allein reicht. Wo der Gekreuzigte im Zentrum steht, da muss ich niemanden mehr etwas beweisen. Da muss ich nicht besser sein, als ich bin. Da darf ich schwach sein, weil Jesus meine Stärke ist. Wo der Gekreuzigte im Zentrum steht, ist kein Platz mehr für Neid und Eifersucht, weil wir alle von ihm und durch ihn leben und niemand einem anderen beweisen kann oder muss, dass er besser und wichtiger und wertvoller ist, weil da an diesem Kreuz Platz für uns alle ist.

"Wie bleiben Christen lebendig?"

- durch Vertrauen

Vertrauen auf die Führung des Heiligen Geistes. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit, da ist Liebe, da ist Kraft und da ist kein Platz für Angst. Und da werden Regeln zu dem, was sie sind: Ein Mittel zum Zweck, aber nicht der Zweck an sich.

Der Kuchen ist wichtiger als das Rezept.

Beten, Bibel lesen, Hauskreis, Gottesdienst, Geld geben, Mitarbeit und leben, wie die Bibel es sagt sind alles gute und wichtige Regeln, aber sie verlieren ihren Wert in dem Moment, wo diese Regeln mir wichtiger werden als Jesus selbst, wo sie meine Liebesbeziehung zu Jesus ersetzen und es mir auf einmal nicht mehr darauf ankommt, in seine Augen voller Liebe zu schauen, sondern mir darum geht, dass ich mehr und besser bete als andere, besser in der Bibel Bescheid weiß, als andere, usw.

Wenn ich Jesus liebe, wenn ich mich täglich neu dem Heiligen Geist öffne und darauf vertraue, dass er mich führt, werde ich mich an bestimmte Regeln halten, aber sie sind für mich nur ein Mittel zum Zweck und ich werde mich nicht diesen Regeln anvertrauen sondern Jesus und der Führung seines Geistes.

Das Motiv ist entscheidend! Warum und für wen?



Krefeld, den 14. November 1999
Pastor Siegfried Ochs

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